Waldspaziergang

Einer, der leise genug war, um mich zurückzuholen.

Sonntag. Der Morgen war kalt. Dünner Frost auf dem Gras. Frost, der beim Gehen unter den Sohlen nachgab wie altes Papier. Ich hatte keine Ziel, keine Richtung, nur das Bedürfnis, rauszugehen. Also ließ ich mich treiben. Schritt für Schritt. Der Wald nahm mich auf, wie er es immer macht. Kommentarlos. Ohne Fragen. Ohne Erwartungen. Die Luft schmeckte nach Erde und feuchtem Laub, dieser Geruch, der sofort sagt, dass er nichts von mir will außer Zeit. An einem Hang. Ein Reh stand da. Reglos. Nur der Atem sichtbar. Es sah kurz zu mir herüber, als würde es abwägen, ob ich Teil der Störung bin oder nur ein Mensch, der versucht, für einen Moment unsichtbar zu werden. Dann verschwand es lautlos im Unterholz. Der Wald macht das oft. Er zeigt kurz etwas Echtes und nimmt es sofort wieder zurück. Vielleicht, damit man lernt, genauer hinzusehen. Ich ging weiter. Die Kälte zog in die Hose, aber auf eine Art, die wach macht. Die Schuhe hielten, was sie versprechen sollten, Schritt für Schritt über feuchte Steine, weiches Moos. Es war still. Keine Autos. Kein Gespräch. Niemand außer mir. Nur dieses leise, geduldige Knirschen unter den Sohlen. Ich blieb an einem alten Hochsitz stehen. Frische Latten, grob verschraubt, als hätte jemand erst gestern entschieden, sich hier wieder öfter blicken zu lassen. Irgendwas an solchen Orten wirkt immer wie eine Einladung, kurz stehen zu bleiben und zu schauen, was man nicht gesucht hat. Vielleicht ging es mir einfach auch darum. Kein Druck. Kein „höher, schneller, weiter“. Nur ein paar Stunden zwischen Bäumen, die alles aus dem Kopf nehmen, was draußen zu laut ist. Der Wald hält Abstand. Aber genau dieser Abstand fühlt sich an wie Nähe. Ja. So war es. Ein Sonntag, der nicht mehr wollte, als mich einen Moment lang atmen zu lassen.

Unterwegs mit Kalle.

Ein Deutsch Jagdterrier im Sauerland

Das Ziel? Die Bruchhauser Steine. Wir kamen an, Denise, Kalle und ich. Der Hund sprang aus dem Auto, schnupperte, markierte, als müsse er den Platz sofort zu seinem machen. Unsere Rucksäcke wurden geschultert, die Schuhe festgezogen, und schon waren wir unterwegs. Der Weg begann harmlos, Kies unter den Sohlen, Bäume dicht an dicht. Es roch nach Wald, nach Erde, nach einem Sommer, der langsam auslief. Kalle zog manchmal an der Leine, verschwand ins Gebüsch, tauchte wieder auf, mit einem Stück Holz, groß genug, um fast komisch zu wirken. Denise und ich lachten. Der Aufstieg war gleichmäßig. Oben eine herrliche Ruhe. Die Steine waren grau, schwer, unbeeindruckt von allem. Für sie gibt es keinen Sommer, keinen Herbst, nur Zeit. Wir standen da, sahen uns um, sprachen, lachten.

Heidewanderung.

Nur Staub auf der Haut.

Die Heide wirkt wie ein stilles Versprechen, das im Wind getragen wird. Zwischen sandigen Wegen und knorrigen Wacholdern bleibt die Zeit hängen, als wollte sie nicht weitergehen. Alte Höfe mit strohgedeckten Dächern lehnen sich in den Nebel, Steine am Weg erzählen von Namen, die längst vergangen sind. Ein Frühstückstisch, unaufgeräumt, noch warm vom Gespräch, erinnert daran, dass wir Menschen nur kurze Gäste sind. Dann wieder Weite, Hügel, Wolken, die ziehen, als sei dies alles nur ein Augenblick im großen Spiel der Erde. Und während unsere Schritte den Boden berühren, bleibt das Gefühl, dass die Landschaft mehr von uns weiß, als wir selbst ahnen.