Waldspaziergang
Einer, der leise genug war, um mich zurückzuholen.
Sonntag. Der Morgen war kalt. Dünner Frost auf dem Gras. Frost, der beim Gehen unter den Sohlen nachgab wie altes Papier. Ich hatte keine Ziel, keine Richtung, nur das Bedürfnis, rauszugehen. Also ließ ich mich treiben. Schritt für Schritt. Der Wald nahm mich auf, wie er es immer macht. Kommentarlos. Ohne Fragen. Ohne Erwartungen. Die Luft schmeckte nach Erde und feuchtem Laub, dieser Geruch, der sofort sagt, dass er nichts von mir will außer Zeit. An einem Hang. Ein Reh stand da. Reglos. Nur der Atem sichtbar. Es sah kurz zu mir herüber, als würde es abwägen, ob ich Teil der Störung bin oder nur ein Mensch, der versucht, für einen Moment unsichtbar zu werden. Dann verschwand es lautlos im Unterholz. Der Wald macht das oft. Er zeigt kurz etwas Echtes und nimmt es sofort wieder zurück. Vielleicht, damit man lernt, genauer hinzusehen. Ich ging weiter. Die Kälte zog in die Hose, aber auf eine Art, die wach macht. Die Schuhe hielten, was sie versprechen sollten, Schritt für Schritt über feuchte Steine, weiches Moos. Es war still. Keine Autos. Kein Gespräch. Niemand außer mir. Nur dieses leise, geduldige Knirschen unter den Sohlen. Ich blieb an einem alten Hochsitz stehen. Frische Latten, grob verschraubt, als hätte jemand erst gestern entschieden, sich hier wieder öfter blicken zu lassen. Irgendwas an solchen Orten wirkt immer wie eine Einladung, kurz stehen zu bleiben und zu schauen, was man nicht gesucht hat. Vielleicht ging es mir einfach auch darum. Kein Druck. Kein „höher, schneller, weiter“. Nur ein paar Stunden zwischen Bäumen, die alles aus dem Kopf nehmen, was draußen zu laut ist. Der Wald hält Abstand. Aber genau dieser Abstand fühlt sich an wie Nähe. Ja. So war es. Ein Sonntag, der nicht mehr wollte, als mich einen Moment lang atmen zu lassen.











