Die stille Jahreszeit.
Von Momenten, die bleiben, wenn alles leiser wird.
Ein Tag im Dezember. Der Morgen lag schwer über den Hügeln, als hätte die Nacht vergessen, sich ganz zurückzuziehen. Dünner Nebel hing zwischen den Tannen, grau wie der Atem eines alten Tieres. Der Regen war kaum mehr als ein Flüstern, ein leiser Rhythmus auf den kahlen Ästen, die sich unter der Last des Jahres beugten. Und doch glitzerte er auf der Straße nach Eversberg, und jeder Schritt klang dumpf auf dem feuchten Asphalt. Ein Traktor stand am Rand eines Feldes, verlassen, die Scheiben beschlagen. Aus einem nahen Schornstein stieg Rauch, langsam, als wüsste er selbst nicht, wohin mit sich. Dieser typische Winterrauch, der nach Holz und nach gestern roch. Ein Hund trottete über den Hof, schüttelte sich einmal, dann verschwand er hinter einer Scheune, deren Dach unter dem Gewicht des Winters leicht knirschte. Die Luft war klar und still. Überall diese besondere Stille, die nur im Dezember entsteht, wenn die Welt ein wenig langsamer wird und jeder Ton eine Sekunde länger bleibt. Und genau in solchen Momenten, in denen nichts passiert und alles da ist, spürt man eine Wärme, die sich nicht erklären lässt. Keine, die aus Lichtern kommt, sondern aus der Art, wie der Winter die Welt hält. Fest, aber sanft. Ein Atemzug, den man nicht bemerkt hätte, wäre man nicht gerade hier gewesen.
Der 10. Dezember. Noch vierzehn Tage bis zum Heiligen Abend. Und alles fühlt sich in diesem Jahr anders an. Vielleicht liegt der eigentliche Zauber von Weihnachten ja nicht in den Lichtern, dem Glanz und den Geschenken, sondern in den Stunden davor und dazwischen. In den Momenten, in denen die Welt ein Stück leiser wird. In denen man zum ersten Mal seit Monaten das Gefühl hat, wieder richtig zu atmen. Die Tage sind kurz. Die Nächte lang. Und irgendwo zwischen all dem liegt eine Wärme, die nicht laut ist und niemandem gehört. Man sitzt am Fenster, sieht dem Abend dabei zu, wie er das Land verschluckt und merkt, dass etwas in einem weicher wird. Also nicht schwach. Einfach nur weicher. Als würde die Dunkelheit einen nicht mehr aufregen, sondern einfach nur einhüllen. Es ist diese Zeit, in der man selbst kurz stehen bleibt. Stehen bleiben darf. Nicht, um sich zu öffnen. Sondern um zu spüren, dass es okay ist, ein bisschen Abstand zu haben und trotzdem nicht allein zu sein.
Mein Weihnachten wird dieses Jahr stiller. Weniger Erwartungen. Weniger Stimmen. Weniger Gesichter. Weniger „Muss“. Mehr „Darf“. Und vielleicht ist genau das der Grund, warum es sich auf eine seltsame Weise richtiger anfühlt. Man wird nicht gezogen. Nicht gedrängt. Man darf einfach auftauchen. So weit oder so nah, wie man kann. Draußen brennen Lichter, die niemand festhalten will. Drinnen liegt ein Raum, der nichts verlangt, nichts erwartet. Eine Tasse, die langsam auskühlt. Ein Hund, der leise atmet. Und irgendwo im eigenen Innern ein kleiner, aber warmer Gedanke, der sagt: Es ist in Ordnung, wenn es dieses Jahr anders ist als früher. Es ist in Ordnung, wenn man sich verändert hat. Es ist in Ordnung, wenn man dieses Weihnachten einen einzigen stillen Moment für sich behält und ihn wie ein Geschenk in den Händen dreht. Es ist in Ordnung, wenn man nur die Menschen sieht, die man wirklich sehen will, und all die anderen ihr eigenes Leben leben lässt.
Es ist in Ordnung.
Vielleicht ist es genau das, was Weihnachten wirklich braucht. Also einen Augenblick, in dem man nicht kämpfen muss. In dem man einfach sein darf. In dem man spürt, dass ein leises Leben manchmal genauso genügt wie ein großes. Und dass Wärme auch dann existiert, wenn man sich ihr nicht ganz nähert. Ein stilles Fest. Ein warmer Gedanke. Mehr braucht es für manche Herzen nicht. Mehr brauche ich dieses Jahr nicht.